Ein Pferd mit PSSM1 darf kein Futter bekommen, das nennenswerte Mengen Stärke oder Zucker enthält.
Das bedeutet kein Getreide, keine Müslis, keine Pellets mit Getreidenebenprodukten, keine Melasse-Leckerlis, kein Brot und keine „Energie-Mischungen“.
Stattdessen braucht ein PSSM1-Pferd faserreiches Raufutter, Luzerne, kalorienreiche Fettquellen und ein Vitamin-Mineralpräparat ohne stärkehaltige Trägerstoffe. Ebenso wichtig ist, dass es keine längeren Fresspausen gibt, denn jede Unterbrechung der Raufutteraufnahme erhöht den Muskelstress.
Ein Pferd mit PSSM2 (auch eng. Muscle Integrity Myopathy (MIM)) folgt vielen derselben Grundregeln, hat aber einen entscheidenden Unterschied:
PSSM2-Pferde benötigen mehr hochwertiges Eiweiß, zusätzliche essentielle Aminosäuren und eine präzise Abstimmung von Mineralstoffen.
Beide Typen brauchen reichlich Raufutter, wenig Stress, regelmäßige Bewegung und eine sorgfältige Mineralstoffversorgung.
1. Was PSSM eigentlich ist – und warum die Fütterung wichtiger ist als alles andere

1.1. PSSM1
PSSM1 entsteht durch eine Mutation im GYS1-Gen. Aufgrund dieser Veränderung wandelt das Pferd ungewöhnlich große Mengen an Glukose in Glykogen um – die Speicherform der Glukose in den Muskeln. Das Veterinary Genetics Laboratory UCDAVIS beschreibt PSSM1 als:
“Pferde mit Polysaccharid-Speichermyopathie Typ 1 (PSSM1) leiden an einer Muskelerkrankung, die durch die Ansammlung abnormaler komplexer Zucker (Glykogen) in der Skelettmuskulatur gekennzeichnet ist.”
Das bedeutet: Die Muskulatur des Pferdes ist ständig überladen – nicht, weil dem Körper Energie fehlt, sondern weil die Energie falsch gespeichert wird.
Sobald ein PSSM1-Pferd Stärke frisst (Getreide, süßes Kraftfutter), steigt der Blutzucker schnell an → die Muskulatur speichert ihn sofort → Muskelzellschäden entstehen. Das zeigt sich als Steifheit, Kreuzverschlagsneigung, Bewegungsunlust, starkes Schwitzen oder Muskelzittern.
1.2. PSSM2 auch Muscle Integrity Myopathy (MIM)
PSSM2 ist nicht nur Glykogenspeicherkrankheit. Es handelt sich vielmehr um eine Gruppe muskulärer Erkrankungen, die die Struktur, Regeneration und das Bindegewebe der Muskulatur betreffen. Dazu gehören Varianten wie P2, P3, P4, Px (myofibrilläre Form) und MFM (myofibrilläre Myopathie).
Weil die zugrunde liegende Pathologie völlig anders ist, unterscheidet sich auch die Fütterung, kurz gesagt:
- PSSM1 = wenig NSC (<12%) + viel Fett
- PSSM2 = wenig NSC (<15%) + viel Eiweiß + kontrolliertes Fett
Die Forschung zu Muskelerkrankungen ist begrenzt, doch in letzter Zeit wurden neue Erkenntnisse über PSSM2 gewonnen, die neue Perspektiven auf die Erkrankung selbst und ihre Subtypen eröffnen. Obwohl die Ernährung teilweise an diese Typen angepasst ist, wird weiterhin intensiv an den optimalen Ernährungsumstellungen geforscht. Auch wenn das Wissen über die Ernährung von Pferden mit PSSM2 noch begrenzt ist, bedeutet dies keinesfalls, dass der Fütterungsplan Ihres Pferdes unverändert bleiben sollte, wenn bei Ihnen PSSM2 diagnostiziert wurde!
2. Was ein PSSM1-Pferd fressen darf – und warum genau diese Futtermittel funktionieren

Bei einem PSSM1-Pferd muss die gesamte Fütterung stärkearm sein. Die Energie soll aus Fasern und Fett stammen, nicht aus Getreide. Wenn man versteht, wie der Muskel Glukose verarbeitet, wird sofort klar, warum diese Regeln so entscheidend sind.
2.1. Raufutter (Wiesengras, Timothee, Heu aus Mähwiesen)
Raufutter bildet den Kern jeder PSSM1-Ration. Eine konstante Faseraufnahme hält den Blutzuckerspiegel stabil und verhindert die starken Glukoseschwankungen, die Kreuzverschlags-Symptome auslösen. Pferde mit PSSM1 reagieren besonders empfindlich auf lange Pausen zwischen den Mahlzeiten, deshalb ist ausreichend Heu über den ganzen Tag hinweg unerlässlich. Vergessen Sie nicht, dass es den größten Teil der Pferdeernährung ausmacht, daher stammt der Großteil der unstrukturierten Kohlenhydrate tatsächlich aus diesem Futtermittel. Lassen Sie eine Heuanalyse durchführen, um zu bestätigen, ob Ihr Heu einen niedrigen Gehalt an unstrukturierten Kohlenhydraten aufweist.
2.1.1. Heuqualität und warum der NSC-Wert so wichtig ist
Für ein PSSM1-Pferd ist Heu nicht einfach nur „Raufutter“ – es ist die Grundlage für einen stabilen Stoffwechsel. Der entscheidende Messwert ist dabei der NSC-Gehalt (Non-Structural Carbohydrates), also die Summe aus Stärke, Zucker und Fruktan im Heu.
Sowohl wissenschaftliche Studien als auch praktische Erfahrung zeigen, dass die meisten PSSM1-Pferde deutlich besser zurechtkommen, wenn der NSC-Wert des Raufutters unter 10–12 % bleibt. Liegt er darüber, steigt der Blutzucker zu schnell an, und die Muskulatur speichert diese Glukose sofort als Glykogen – was die Erkrankung verschlimmert.
Wenn ein Heu-Analysebericht einen zu hohen NSC-Wert zeigt, kann Einweichen für min. 30 bis 60 Minuten den Zuckergehalt zu senken. Dieser einfache Schritt verwandelt viele Pferde, die morgens steif und fest wirken, in Tiere, die sich frei und locker bewegen.
Heu mit hohem NSC-Gehalt führt häufig zu typischen Symptomen: morgendliche Steifheit in der Hinterhand, ungleichmäßiges oder stellenweises Schwitzen bei leichter Arbeit, ein gespannter Lendenbereich und Schwierigkeiten beim Aufwärmen.
Diese Anzeichen zeigen, wie empfindlich PSSM1-Pferde auf Zuckerschwankungen reagieren und warum eine gute Heuqualität genauso wichtig ist wie der völlige Verzicht auf Getreide.
Auswirkung des NSC-Gehalts im Raufutter auf PSSM1-Pferde
| NSC-Wert | Auswirkung auf das Pferd |
|---|---|
| Unter 10 % | Optimaler Bereich; kaum Glukoseanstieg, bessere Beweglichkeit am Morgen. |
| 10–12 % | Meist gut verträglich; bei intensiverem Training beobachten. |
| Über 12 % | Höheres Risiko für Steifheit, Schwitzen, Rückenspannung und schlechtes Aufwärmen. |
| Über 15 % | Stark erhöhtes Risiko für Kreuzverschlag, wenn das Heu nicht vorher eingeweicht wird. |
2.1.2. Luzerne / Alfalfa
Luzerne ist eine hervorragende Ergänzung. Sie liefert hochwertiges Eiweiß, viel Calcium als natürlichen Säurepuffer und unterstützt die Muskulatur ohne zusätzliche Glykogenbelastung. Die meisten PSSM1-Pferde profitieren von ein bis zwei kleineren Luzerneportionen täglich.
2.2. Fett- und Ölquellen
Geeignete Optionen sind Rapsöl, Leinsamenöl, stabilisierte Reiskleie oder andere Öle.
Fett wird bei PSSM1-Pferden zur alternativen Energiequelle, die normalerweise aus Stärke stammen würde. Wenn Fett langsam eingeschlichen wird, bewegen sich viele dieser Pferde bereits nach einer Woche sichtbar freier und entspannter.
2.3. Natürliches Vitamin E (d-Alpha-Tocopherol)
Belastete Muskelzellen verbrauchen Vitamin E sehr schnell. Natürliche Formen (d-alpha) sind deutlich wirksamer als synthetische. Pferde mit PSSM1 profitieren von einer zusätzlichen Vitamin-E-Gabe, doch Vorsicht: Eine unzureichende Versorgung mit einzelnen Vitaminen und Mineralstoffen kann zu noch größeren Problemen führen. Vitamin E kann toxisch wirken!
2.4. Salz und Elektrolyte
Bei Muskelstörungen ist der Mineralstoffverbrauch erhöht. Normales Salz plus ein ausgewogenes Elektrolytpräparat sind wichtig, vor allem bei Pferden, die regelmäßig trainiert werden oder stark schwitzen.
2.5. Ein getreidefreier Mineralfutterbalancer
Der Balancer soll ausschließlich Vitamine und Spurenelemente liefern, ohne versteckte Getreidebestandteile, ohne Melasse und ohne zuckerreiche Trägerstoffe. Viele handelsübliche Produkte enthalten Getreidenebenprodukte, die für PSSM1-Pferde ungeeignet sind.
3. Was ein PSSM1-Pferd niemals fressen darf?

Für PSSM1-Pferde ist die „Nicht füttern“-Liste kein optionaler Hinweis, sondern der wichtigste Baustein der gesamten Therapie. Schon eine einzige Schaufel Getreide kann eine ganze Woche an Fortschritten zunichtemachen. Aufgrund der GYS1-Mutation speichern diese Pferde Glukose viel zu aggressiv. Jedes stärkereiche Futter verursacht einen schnellen Anstieg des Blutzuckers, und die Muskulatur bindet diese Glukose sofort ein, anstatt sie normal zu verwerten.
Das führt direkt zum typischen PSSM1-Schub: Steifheit, Muskelzittern, gespannte Hinterhand, Schwitzen, Bewegungsunlust oder im schlimmsten Fall ein vollständiger Kreuzverschlag.
Besonders gefährlich sind Futtermittel auf Basis von Hafer, Gerste, Mais, Melasse oder kommerziellen süßen Müslimischungen. Diese gelangen sehr schnell ins Blut und überfordern das gestörte Glykogenspeichersystem des Pferdes.
Selbst scheinbar harmlose Leckerlis – Getreidekekse, Müsliriegel, knusprige Trainingswürfel – können bei regelmäßiger Gabe Symptome auslösen. Um stabil zu bleiben, muss ein PSSM1-Pferd jedes Futter meiden, das mehr als ca. 12 % NSC (Stärke + Zucker + Fruktan) enthält.
Die Kontrolle der Stärke ist die Grundlage jedes erfolgreichen Managements. Nicht weil es modisch oder übertrieben streng wäre, sondern weil die Muskulatur biologisch nicht in der Lage ist, solche Glukoseschwankungen zu verkraften. Diese Regeln sind wissenschaftlich gut belegt.
Sobald man stärkereiches Futter entfernt, lässt die Muskelspannung nach. Wenn Fett als alternative Energiequelle dazukommt, wird die Bewegung geschmeidiger und das Pferd wirkt deutlich wohler. Viele Besitzer berichten, dass sich ihre Pferde bereits nach wenigen Tagen ohne Getreide besser fühlen – der Körper hört endlich auf, gegen seine eigene Biochemie anzukämpfen.
Die folgende Tabelle fasst zusammen, welche Futtermittel strikt vermieden werden müssen und warum sie für PSSM1-Pferde problematisch sind.
Verbotene Futtermittelkategorien für PSSM1-Pferde
| Futtermittel-Kategorie | Warum sie für PSSM1-Pferde ungeeignet ist |
|---|---|
| Hafer, Gerste, Mais | Sehr stärkehaltig; verursachen starke Blutzuckerspitzen und steigern die Glykogenüberladung. |
| Müsli- und Süßfuttermischungen | Enthalten Getreide, Melasse und gepuffte Körner; führen zu schnellen Insulinanstiegen. |
| Melasse (jede Form) | Reiner Zucker; verursacht abrupte Blutzuckeranstiege. |
| Getreidebasierte Leckerlis | Viele kleine Zuckerimpulse; können selbst in kleinen Mengen Symptome hervorrufen. |
| Kraftfutter über 12 % NSC | Hoher NSC-Wert überfordert die Fähigkeit des Muskels, Glykogen reguliert zu speichern. |
4. Warum Fett PSSM1-Pferden zu besserer Beweglichkeit verhilft?
Bei einem PSSM1-Pferd ist Glukose das eigentliche Problem, auch wenn der Körper natürlich weiterhin Energie braucht. Fett übernimmt hier die Rolle eines sauberen, gut verträglichen Energieträgers.
Während Stärke die Muskulatur mit Glukose überflutet, die aufgrund der GYS1-Mutation nicht korrekt verarbeitet werden kann, wird Fett langsam und gleichmäßig verstoffwechselt – ohne die Glykogenspeicher zusätzlich zu belasten.
Weitere Forschungsergebnisse von Valberg, S.J zeigen, dass:
- Fett senkt die Insulinantwort
- Fett erhöht die Menge der freien Fettsäuren, die der Muskel als Energie nutzen kann
- Fett reduziert Kreuzverschlags-Episoden
- Fett verbessert die Erholungszeit der Muskulatur
Darum sieht man bei vielen PSSM1-Pferden bereits nach ein bis zwei Wochen spürbare Verbesserungen: ein längerer, freierer Schritt, weniger Muskelzittern und ein insgesamt ruhigeres, entspannteres Bewegungsbild, sobald Getreide entfernt und Fett schrittweise erhöht wird.
5. Bewegung und Fütterung wirken nur gemeinsam
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Alleine durch Fütterung lässt sich ein PSSM1-Pferd nicht stabilisieren. Bewegung bildet die zweite, gleichwertig wichtige Säule der Behandlung. Valberg et al. (2011) sowie Stoffwechselanalysen aus dem NCBI (2021) zeigen, dass regelmäßige, leichte Bewegung die Glukosenutzung verbessert und die für PSSM1 typische Muskelspannung deutlich reduziert.
Bewegung verändert, wie der Muskel Energie verarbeitet. Tägliche leichte Arbeit fördert den Abbau von Glykogen, anstatt dessen weitere Einlagerung – und macht damit die Fütterung wesentlich wirksamer. Vor allem Pferde, die einen erhöhten Fettanteil im Futter erhalten, profitieren spürbar stärker, wenn dieses Fett mit konstanter Bewegung kombiniert wird und nicht mit Ruhephasen.
Sanfte Trainingsformen wie lange Schrittphasen, Reiten in geraden Linien und allmähliche Aufwärmprogramme unterstützen einen stabilen Muskelstoffwechsel. Plötzliche Sprints, explosive Übergänge oder harte Trainingseinheiten können hingegen eine Überforderung auslösen, bevor der Muskel sich an die neue Stoffwechselsituation angepasst hat.
In der Praxis zeigt sich, dass die erfolgreichsten Managementpläne folgende Elemente kombinieren:
- Täglicher Paddockaufenthalt
- Viel weiche, gleichmäßige Bewegung statt seltenen intensiven Belastungen
- Aufwärmphasen von mindestens 15 Minuten
- Training ohne abrupte Starts oder kraftvolle Übergänge
6. Woran man erkennt, dass die PSSM1-Fütterung wirkt?
Eine gut angepasste PSSM1-Diät zeigt oft schon nach wenigen Tagen bis Wochen sichtbare Verbesserungen. Viele Besitzer bemerken als Erstes eine weichere Oberlinie und eine entspanntere Hinterhand, besonders in der Früh, wenn das Pferd aus der Box oder vom Paddock kommt. Sobald die Glukoseschwankungen unter Kontrolle sind, arbeitet das Pferd bereitwilliger, lässt sich besser aufwärmen und wirkt insgesamt weniger „blockiert“.
Ein weiteres wichtiges Zeichen ist weniger Schwitzen bei leichter Belastung. Das zeigt, dass die Muskulatur nicht mehr so schnell in den anaeroben Stoffwechsel kippt. Mit der Zeit erscheinen weitere positive Veränderungen: ein ruhigeres Verhalten, sauberere Übergänge, weniger „hakelige“ Schritte beim Antraben und ein deutlicher Rückgang von Krämpfen nach Ruhephasen. Das Pferd beginnt sich natürlicher und freier zu bewegen, ohne den verkürzten, vorsichtigen Schritt, der vor der Futterumstellung so typisch war.
Viele Besitzer beschreiben den Moment, an dem die Diät eindeutig greift, mit denselben Worten:
„Plötzlich fühlt sich mein Pferd wieder wie ein normales Pferd an.“
Dieser Wandel, vom angespannten, vorsichtigen Bewegungsmuster hin zu lockerem, selbstbewusstem Vorwärts , ist das klarste Zeichen dafür, dass der Muskelstoffwechsel sich stabilisiert hat und die Fütterung endlich das tut, wofür sie gedacht ist.
Abschließendes Fazit
Eine erfolgreiche PSSM1-Fütterung ist keine Hexerei, aber sie verlangt Konsequenz und ein gutes Verständnis der Krankheit. Wenn Stärke und Zucker draußen sind, das Pferd ausreichend Raufutter bekommt und Fett als Energiequelle dient, beginnen die Muskeln zu arbeiten, wie sie sollen , ruhig, stabil und ohne ständig gegen ihre eigene Genetik anzukämpfen. Kombiniert man das Ganze mit täglicher, sanfter Bewegung, entsteht ein System, das dem Pferd Sicherheit gibt und dem Körper endlich erlaubt, sich zu entspannen.
Das Ziel jeder PSSM1-Ration ist nicht, das Pferd „besonders“ zu füttern, sondern ihm die einfachste, sauberste und für seinen Stoffwechsel logischste Energieform zu geben. Wenn all diese Bausteine zusammenspielen, verändert sich die Bewegungsqualität nicht nur ein bisschen , sie verändert sich grundlegend. Und genau dann merkt man: Das Pferd kommt wieder zu sich selbst zurück.



