Eine Frau mit Helm reitet ein Pferd in den Bergen

Die fünf Gangarten des isländischen Pferdes

Die meisten Pferde beherrschen drei natürliche Gangarten – Schritt, Trab und Galopp.
Islandpferde sind berühmt dafür, dass viele von ihnen zusätzlich den Tölt (einen weichen, viertaktigen Lateralgang) und den Rennpass (Skeið oder Flugskeið), einen sehr schnellen, zweitaktigen Lateralgang mit Schwebephase, zeigen können.

Diese zusätzlichen Gangarten sind weit mehr als nur eine Besonderheit. Sie verändern, wie Reiter lange Distanzen zurücklegen, wie Pferde ausgebildet und bewertet werden und wie die Rasse Komfort und Geschwindigkeit selbst in schwierigem Gelände zum Ausdruck bringt.

Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese zusätzlichen Gänge eng mit einer Stopp-Codon-Mutation im DMRT3-Gen verbunden, die die Mustergenerierung im Rückenmark beeinflusst. Kurz gesagt: Sie verändert die neuronale Koordination der Gliedmaßen und ermöglicht laterale Spezialgänge wie Tölt und Pass, ohne dass das Pferd dabei das Gleichgewicht verliert – laut der wegweisenden Nature-Studie von Andersson et al. (2012).

Zuchtverbände legen klare, überprüfbare Definitionen für diese Gangarten fest, damit Richter und Reiter die Qualität konsistent beurteilen können. Die FEIF-Regeln (Internationaler Dachverband der Islandpferde) schreiben genaue Fußfolgen und Taktsicherheit vor, während nationale Vereine und Lehrmaterialien den Reitern helfen, saubere von fehlerhaften Ausführungen zu unterscheiden.

1.  Zentrale Erkenntnisse

  • Alltäglicher Komfort: Wenn du viele Kilometer im Gelände zurücklegen willst, ist der Tölt dein bester Freund. Er ermöglicht lange Ritte, ohne den Rücken des Reiters zu belasten – gerade weil er durchgehenden Bodenkontakt hat und keine Schwebephase mit störendem Auf- und Abfedern.
  • Breite Ausbildung: Verzichte nicht auf Trab oder Galopp, nur um den Tölt zu forcieren. Eine ausgewogene Entwicklung aller Gänge macht den Tölt langfristig leichter und stabiler. Auch die FEIF-Bewertungen spiegeln das wider: Korrektheit in allen Gangarten wird belohnt.
  • Pass ist etwas Besonderes: Den Rennpass sollte man nur mit Pferden reiten, die wirklich Talent dafür haben – und dann kurz und geradeaus. Er ist spektakulär und rasant, aber kein Alltagsgang für lange Strecken.
  • Genetik unterstützt, entscheidet aber nicht: Das DMRT3-Gen erklärt vieles, aber am Ende sind es Körperhaltung, Training und Kondition, die bestimmen, ob die Gänge rein, angenehm und dauerhaft abrufbar sind.

1.1. Schritt (fet)

Der Schritt ist eine viertaktige Gangart ohne Schwebephase. Die Fußfolge verläuft typischerweise LH → LF → RH → RF (oder spiegelverkehrt), was bedeutet, dass immer mindestens zwei Hufe gleichzeitig den Boden berühren. Für Islandpferde ist ein korrekter Schritt von großer Bedeutung, da er die Basis für Losgelassenheit, Takt und Rückenschwung bildet. Ein verspannter, eiliger Schritt weist oft darauf hin, dass sich Spannungen später auch im Tölt oder Galopp zeigen werden. Laut den Definitionen der FEIF und gängigen Gangpferde-Handbüchern muss der Schritt klar viertaktig sein, mit aktiven, aber entspannten Schritten, und einer natürlichen, nicht erzwungenen Nickbewegung von Kopf und Hals.

Reiter beschreiben einen guten Schritt beim Islandpferd als elastisch, schreitend und raumgreifend – eine wichtige Eigenschaft auf Lavafeldern, unebenem Gelände und den wechselhaften Böden des isländischen Hochlands. Das Trainingsziel ist, Entspannung und Klarheit zu erhalten: zu viel Zügeleinwirkung verkürzt den Schritt und macht ihn lateral, zu wenig Energie lässt ihn flach wirken. Da der Tölt dieselbe laterale Fußfolge wie der Schritt hat, aber in völlig anderer Geschwindigkeit läuft, gilt: ein reiner, elastischer Schritt ist oft die beste Voraussetzung für einen späteren guten Tölt.

Wo wird er eingesetzt? In Prüfungen zeigt der Schritt grundlegende Qualitäten der Ausbildungsskala – Takt, Losgelassenheit, Anlehnung und Geschmeidigkeit – die das Fundament für alle weiteren Gänge bilden (laut den veröffentlichten Testvorgaben der FEIF).

Aspekt Details
Takt & Abfolge Viertakt; LH → LF → RH → RF (oder spiegelverkehrt)
Schwebephase Keine
Typische Geschwindigkeiten Langsam bis mittel; genutzt für Entspannung, Aufwärmen und technisches Gelände
Reitergefühl Schwingender Rücken, nickender Kopf/Hals; gleichmäßig, nicht holprig
Trainingshinweise „Marschierenden“ Schritt fördern; Lateralisation oder Eile vermeiden
Häufige Fehler Lateral gehender Schritt (zweitaktig), kurze/verspannte Tritte, Taktverlust
Prüfung/Bewertung Klarer Viertakt mit Übertritt bevorzugt; Entspannung ist entscheidend

1.2. Trab (brokk)

Der Trab ist eine zweitaktige diagonale Gangart mit Schwebephase: LF+RH landen gemeinsam, danach RF+LH, mit einer kurzen Phase in der Luft dazwischen. Viele Islandpferde haben von Natur aus eine Neigung entweder mehr zum Trab oder mehr zum Tölt. Die Aufgabe des Trainers ist es nicht, den Trab „auszulöschen“, sondern ihn gleichberechtigt neben dem Tölt zu erhalten, sodass beide Gangarten in ihrer Reinheit bestehen bleiben. Laut den Definitionen der FEIF und gängigen Rasse-Handbüchern sind vor allem die saubere diagonale Fußfolge und gleichmäßiger Takt entscheidend – Qualitäten, die manchmal vernachlässigt werden, wenn Reiter nur den Komfort des Tölts im Blick haben.

Der Trab entwickelt Schubkraft und Symmetrie. Leichttraben ist ein wertvolles Konditionstraining, insbesondere für die Muskulatur von Rücken und Oberlinie. Für Islandpferde bleibt ein kraftvoller Trab ein wichtiger Trainingsbaustein, auch wenn der Tölt die „Schaugangart“ ist. Ein überhasteter, zu schneller Trab führt oft zu einem flachen Rücken; die Korrektur liegt in Taktkontrolle, richtiger Haltung und Geraderichtung.

In den Viergang- (V4/V5) und Fünfgangprüfungen (F1/F2) sind die Deutlichkeit der diagonalen Paare und die Elastizität der Bewegung ausschlaggebend für die Noten. Pferde, die fast ausschließlich im Tölt geritten werden, verlieren häufig an Qualität im Trab; ein ehrlicher, gut erhaltener Trab sorgt für breitere Leistungsfähigkeit (laut FEIF-Prüfungsrichtlinien).

Aspekt Details
Takt & Abfolge Zweitakt diagonal; LF+RH ↔ RF+LH
Schwebephase Ja (kurz)
Typische Geschwindigkeiten Arbeitstrab bis Mittlerer Trab; längere Strecken zur Konditionierung
Reitergefühl Federnd, ohne Abfederung; Leichttraben empfohlen
Trainingshinweise Geraderichten, Tempokontrolle, Leichttraben zum Muskelaufbau
Häufige Fehler Passartiger oder lateral verschobener Trab, Eile, Verlust der Schwebephase
Prüfung/Bewertung Gleichmäßige Diagonale, elastische Schritte und klare Schwebephase werden hoch bewertet

1.3. Galopp (stökk)

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Bild: Louisa Hackl

Der Galopp ist eine dreitaktige Gangart mit Schwebephase. Auf der linken Hand lautet die Fußfolge: RH → LH+RF → LF → (Schwebe) → wiederholen. Mit zunehmender Geschwindigkeit geht der Galopp in den Renn- oder Flachgalopp über. Beim Islandpferd spiegelt die Qualität des Galopps oft denselben Rücken- und Hinterhandaufbau wider, der auch für einen kraftvollen Tölt notwendig ist. Ein Pferd, das auf der Vorhand galoppiert, hat in der Regel auch Schwierigkeiten, den Tölt korrekt zu tragen und zu versammeln.

Die FEIF-Unterlagen und gängige Rassehandbücher behandeln Galopp und Renn- bzw. Flachgalopp als eine Gangartfamilie, erkennen jedoch den Unterschied in Tempo und Rahmen zwischen einem gesammelten Galopp und einem offenen Galopp ausdrücklich an (laut Richtlinien des Islandpferdekongresses).

Ein guter Galopp beim Islandpferd fühlt sich schwingend und bergauf gerichtet an, mit einem weichen Rücken, der dem Reiter das Aussitzen erleichtert. Übergänge vom Tölt in den Galopp (und zurück) prüfen die Balance: Ein Pferd, das vom Tölt in den Pass statt in den Galopp fällt, zeigt oft fehlende Geraderichtung oder ungenügende Hinterhandaktivität. Galopparbeit am Hang ist ein bewährtes Mittel, um die Hinterhand für Tölt und Passkontrolle zu kräftigen.

Der Galopp kommt sowohl in Viergang- als auch Fünfgangprüfungen vor und ist unverzichtbar für längere Geländeritte und offenes Gelände – kurze Galoppstrecken helfen, schnell Strecke zu machen, wenn Boden und Platz es erlauben.

Aspekt Details
Takt & Abfolge Dreitakt (handabhängig) mit Schwebephase
Schwebephase Ja
Typische Geschwindigkeiten Vom gesammelten bis zum verlängerten Galopp; offener Galopp im Gelände
Reitergefühl Schwingend, oft bequemer als Trab, wenn bergauf und locker
Trainingshinweise Übergänge mit Balance; Galopparbeit am Hang; Vorhandlastigkeit vermeiden
Häufige Fehler Viertaktiger Galopp (auseinandergefallen), falscher Galoppsprung, Übergang in Pass
Prüfung/Bewertung Bergauftendenz, klarer Dreitakt, balancierte Angaloppaden

1.4. Tölt (die typische Komfortgangart)

Der Tölt ist eine viertaktige laterale Gangart mit derselben Fußfolge wie der Schritt (LH → LF → RH → RF). Er reicht vom langsamen, versammelten Tempo bis hin zu Geschwindigkeiten, die mit einem mäßigen Galopp mithalten können. Das entscheidende Merkmal ist, dass es keine Schwebephase gibt und immer ein oder zwei Hufe den Boden berühren. Dadurch entsteht ein außergewöhnlich ruhiges, erschütterungsfreies Reiterlebnis. Das macht es den Islandpferden möglich, ihre Reiter über lange Strecken zu tragen, ohne das Auf- und Abfedern des Trabes. Laut Horses of Iceland und verschiedenen Rasseexperten ist der Tölt das Markenzeichen der Rasse. Er kann je nach Typ variieren – von rundem, hoch aufgerichtetem Vorderfußspiel bis zu flachen, raumgreifenden Bewegungen – solange der Takt rein bleibt und der Rücken locker mitschwingt.

Reiter empfinden im sauberen Tölt nahezu keine vertikale Bewegung – es fühlt sich an, als würde man gleitend vorwärts getragen, während die Schultern des Pferdes die Vorderbeine frei heben und setzen. Ein korrekter Tölt erfordert aktive Hinterhand und Rückentätigkeit; wer nur auf spektakuläre Vorderbeinaktion setzt, riskiert Verspannungen, Taktfehler oder den sogenannten „Schweinepass“ – einen ungleichmäßigen, lateral angelehnten Zweitakt, der sowohl unbequem als auch fehlerhaft ist.

Gute Trainer „finden“ den Tölt, indem sie Vorwärtsenergie mit Rückenschwung in Balance halten und das Pferd lehren, sich aus der Hinterhand zu tragen und die Schulter frei durchzulassen. Die FEIF-Bewertung betont die Klarheit des Viertakts, gleichmäßige Anlehnung und Selbsthaltung – wichtiger als übertriebene Vorderhandaktion, wenn dabei die Reinheit des Takts leidet.

Der Tölt wird überall genutzt – vom täglichen Ausritt bis hin zu Sportprüfungen (T1, T2), die Tempounterschiede, Übergänge und Selbsthaltung auf langen Zügeln verlangen. Da viele Islandpferde von Natur aus viergängig sind (ohne Rennpass), ist die Qualität des Tölts für einen Großteil der Population der entscheidende Leistungsfaktor (laut Horses of Iceland und nationalen Zuchtvereinen).

Aspekt Details
Takt & Abfolge Viertakt lateral; gleiche Reihenfolge wie im Schritt
Schwebephase Keine
Typische Geschwindigkeiten Vom langsamen/versammelten Tölt bis hin zu schnellem Tempo, vergleichbar mit mittlerem Galopp
Reitergefühl Außerordentlich weich; kaum vertikale Erschütterung
Trainingshinweise Vorwärtsenergie mit Rückenschwung ausbalancieren; Hohlwerden vermeiden
Häufige Fehler Schweinepass (unrein/lateral), Eile, Verlust der Schulterfreiheit
Prüfung/Bewertung Reinheit des Takts und Selbsthaltung sind wichtiger als übertriebene Vorderbeinaktion

1.5. Rennpass (skeið, flugskeið) – der „fünfte Gang“

Der Rennpass ist eine zweitaktige laterale Gangart mit Schwebephase. Das linke Beinpaar (LH+LF) setzt fast gleichzeitig auf, dann folgt eine Schwebephase, anschließend das rechte Beinpaar (RH+RF). Es handelt sich um eine äußerst schnelle Gangart, die über kurze Distanzen geritten wird und eine besondere Kombination aus Balance, Kraft und neurologischer Veranlagung erfordert.

Nicht alle Islandpferde beherrschen einen reinen, reitbaren Rennpass; jene, die es können, sind hoch geschätzt und werden als fünfgängig bezeichnet. Laut der IHSGB wird Rennpass typischerweise über ca. 100-250 Meter geritten und kann Geschwindigkeiten von bis zu 48 km/h erreichen. Ein langsamer, unsauberer Pass ist dagegen unangenehm und unerwünscht – Ziel ist stets Reinheit und Geschwindigkeit.

Ein korrekt gerittener Rennpass fühlt sich an, als würde man mit erstaunlicher Weichheit die Bahn hinunterkatapultiert – vorausgesetzt, die Schwebephase und die laterale Beinpaarung bleiben sauber. Viele Trainer entwickeln den Rennpass durch gezielte Kraftarbeit, Geraderichtung und sorgfältige Tempokontrolle.

Meist wird er erst eingeführt, wenn das Pferd im Galopp und Tölt gefestigt ist. Übergänge sind entscheidend: Wenn der Rennpass in einen unsauberen „Zweieinhalb-Takt“ zerfällt, gibt das Abzüge im Sport und ist auch für den Reiter unangenehm. Da der Rennpass sowohl neurologisch als auch biomechanisch sehr anspruchsvoll ist, wird er nur in kurzen Intervallen und nur bei Pferden mit der passenden Genetik und Exterieur genutzt (laut IHSGB-Richtlinien).

In Fünfgangprüfungen und speziellen Passrennen achten die Richter auf explosive Beschleunigung, Geraderichtung und einen anhaltenden, reinen Zweitakt mit Schwebephase über eine klar definierte Strecke. Viele Freizeitreiter fordern den Rennpass gar nicht ab – er ist eine spezialisierte Sportgangart, keine Alltagsgangart für lange Ritte.

Aspekt Details
Takt & Abfolge Zweitakt lateral; LH+LF ↔ RH+RF mit Schwebephase
Schwebephase Ja (deutlich)
Typische Distanz/Nutzung 100–250 m im Rennen; kurze, kontrollierte Einsätze
Reitergefühl Erstaunlich weich bei Tempo, instabil bei langsamem/unsauberem Pass
Trainingshinweise Erst nach gefestigtem Galopp/Tölt; Fokus auf Geraderichtung und Kraft
Häufige Fehler „Schuffle-Pass“ (Verlust der Schwebe), Schiefe, Taktverlust durch Ermüdung
Prüfung/Bewertung Reinheit bei hohem Tempo, saubere Übergänge, gerade Linie über kurze Strecke

2.  Die Genetik: Warum DMRT3 so wichtig ist

Ein Pferd steht auf einer Wiese

Wenn es um Gangpferde geht, fällt der Blick fast immer auf ein bestimmtes Gen: DMRT3. Während die bekannte Nature-Studie von Andersson et al. (2012) diese Mutation erstmals ins Rampenlicht rückte, haben spätere Untersuchungen ihr breiteres Wirkungsfeld verdeutlicht.

So untersuchte etwa Kristjansson et al. (2014) in Animal Genetics speziell Islandpferde und bestätigte, dass fast alle Pferde, die Tölt und Pass zeigen konnten, die DMRT3-Mutation trugen. Die Forschung zeigte jedoch auch, dass die Mutation kein Garant für Qualität ist. Manche Pferde mit dem Gen zeigten unreine oder instabile Gänge, während andere ohne die Mutation zumindest einen gewissen Tölt gehen konnten. Laut dieser Studie ist die DMRT3-Mutation also eher ein grünes Licht als eine Garantie: Sie stellt die neurologische Grundlage für Spezialgänge bereit, doch Faktoren wie Muskulatur, Gebäude, Reiterkönnen und gezieltes Training entscheiden darüber, wie sich diese Gänge tatsächlich entfalten.

Für Islandpferde bedeutet das: Der Tölt ist in der Population weit verbreitet, weil die Mutation nahezu fixiert ist. Die Spitzenleistung im Rennpass bleibt jedoch jenen Pferden vorbehalten, die zusätzlich über die richtige Körperkonstitution und ein gezieltes Trainingsprogramm verfügen. In der Praxis legt die Genetik zwar das Fundament, doch tägliche Konditionierung und Management bestimmen, ob ein Tölt butterweich oder holprig ist – und ob ein Pferd tatsächlich in der Lage ist, in diesen atemberaubenden zweitaktigen Rennpass zu wechseln.

3.  Häufige Fehler und wie Reiter sie korrigieren

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Bild: Ulrich Neddens

  • Schweinepass im Tölt. Wenn der Viertakt ungleichmäßig wird und in einen zweitaktigen Lateralschritt abdriftet, spürt der Reiter statt eines sanften Gleitens ein hartes, rollendes Schaukeln. Korrektur: Das Tempo neu ausbalancieren, den Rücken mit Übergängen lockern und den gleichmäßigen Takt wiederherstellen. Auffällige Vorderbeinaktion ohne tragende Hinterhand ist hier ein Warnsignal.
  • Lateral verschobener Trab. Übermäßig gespannte, stark vorwärts getriebene Pferde können die diagonale Fußfolge verlieren. Korrektur: Das Tempo zurücknehmen, leichttraben, damit der Rücken zu schwingen beginnt, und die diagonale Taktreinheit wieder herstellen, bevor erneut mehr Energie gefordert wird.
  • Viertaktiger Galopp. Wenn das Pferd auf der Vorhand läuft oder verspannt ist, verschwimmt der klare Dreitakt. Korrektur: Galopparbeit am Hang, halbe Paraden zur bergauf gerichteten Balance und gezielte Übergänge, um den sauberen Dreitakt zu festigen.
  • Instabiler Rennpass. Ein zu langsamer oder schiefer Rennpass verliert die Schwebephase und damit auch die Bequemlichkeit. Korrektur: Auf Geraderichtung achten, den Pass nur auf einer kurzen, bekannten Strecke abfragen und die Kraft schrittweise aufbauen. Der Rennpass bleibt jenen Pferden vorbehalten, die sowohl die Veranlagung als auch die Kondition dafür haben.

4.  Übersicht für Reiter & Trainer

Fußfolge & Reitergefühl im Überblick

Gangart Fußfolge & Takt Schwebephase Reitergefühl Haupteinsatz
Schritt Viertakt; LH → LF → RH → RF Keine Schwingend, mit Nickbewegung, entspannt Aufwärmen, präzises Reiten im Gelände, Erholungsphasen
Trab Zweitakt diagonal Ja Federnd; Leichttraben empfohlen Konditionstraining, Symmetrie, Prüfungen
Galopp Dreitakt (handabhängig) Ja Schwingend-bergauf, oft bequemer als Trab Prüfungen, Hangarbeit, freies Gelände
Tölt Viertakt lateral Nein Außergewöhnlich weich, gleitend Lange Distanzen, Prüfungen (T-Serien)
Rennpass Zweitakt lateral Ja Sehr weich bei Tempo, instabil bei langsamem Pass Kurzstreckenrennen (100–250 m), Fünfgangprüfungen

5.  Trainingsschwerpunkte & typische Fehler

Gangart Zuerst trainieren Kraftaufbau-Übungen Häufige Fehler Korrekturfokus
Schritt Losgelassenheit + klarer Viertakt Lockeres Reiten am langen Zügel; Geländewechsel Lateral gehender Schritt; Eile Tempokontrolle; Freiheit im Hals-Nacken-Bereich
Trab Geraderichten + Takt Leichttraben-Sets, Stangenarbeit, leichte Seitengänge Passartiger/lateraler Trab Tempo zurücknehmen; Diagonale wiederherstellen
Galopp Bergauf-Balance Hangarbeit, saubere Angaloppaden Viertaktiger Galopp; Vorhandlast Halbe Paraden; Übergänge; Kräftigung am Hang
Tölt Rückenschwingung + Selbsthaltung Übergänge, kurze korrekt belohnte Sequenzen Schweinepass; Hohlwerden Energie mit Losgelassenheit ausbalancieren; Tempo nicht übertreiben
Rennpass Geraderichtung + Kondition Kurze, saubere Wiederholungen auf gerader Bahn „Shuffle-Pass“; Schiefe Kurz halten; vor Ermüdung abbrechen

6.  Sport & Bewertungsmaßstab – Überblick

Thema Was Richter sehen wollen Anmerkungen
Taktsicherheit Klarer Viertakt im Tölt; klarer Zweitakt im Pass Reinheit ist wichtiger als auffällige Aktion vorne
Selbsthaltung Pferd trägt sich selbst ohne auf die Zügel zu fallen Tölt am langen Zügel (T2) prüft echte Balance
Bereitschaft Willige Übergänge ohne Hast „Temperamentvoll“ ist nicht gleich „verspannt“
Geraderichtung Besonders wichtig im Pass und Galopp Schiefe zerstört die Reinheit des Passes am schnellsten
Tempospanne Tölt soll kontrolliert von langsam bis schnell gezeigt werden Geschwindigkeit entschuldigt keine Taktfehler

Fazit

Das Islandpferd ist weltweit einzigartig, weil es neben Schritt, Trab und Galopp auch den Tölt und den Rennpass zeigt. Diese Gangarten sind keine exotische Spielerei, sondern prägen die Reitkultur, Zuchtziele und Sportprüfungen der Rasse.

  • Der Tölt ist der entscheidende Komfortgang: Er macht lange Distanzen für Pferd und Reiter angenehm, vorausgesetzt, er wird sauber viertaktig mit tragender Hinterhand geritten.
  • Der Rennpass ist die spektakuläre Königsdisziplin, aber nur für Pferde mit Veranlagung, passendem Gebäude und ausreichend Training geeignet – im Sport zählt hier absolute Reinheit bei höchstem Tempo.
  • Genetisch liefert das DMRT3-Gen die Grundlage für Spezialgänge, doch ob diese Gänge wirklich rein, tragfähig und beständig sind, hängt von Ausbildung, Muskulatur und Reiterhand
  • Für Zucht und Prüfung gilt: Taktsicherheit, Selbsthaltung und Geraderichtung sind wichtiger als auffällige Vorderbeinaktion oder Tempo.

Unterm Strich: Wer ein Islandpferd reitet oder züchtet, sollte alle fünf Gänge im Blick behalten – nicht nur den Tölt. Erst die Balance aus Training, Kondition, Genetik und Reiterkönnen entscheidet, ob ein Islandpferd sein volles Potenzial zeigt: bequem im Alltag, kraftvoll im Sport und immer mit klar erkennbarem Takt.

Literatur- und Quellenverzeichnis

  1. Andersson, L. et al. (2012). Mutations in DMRT3 affect locomotion in horses and spinal circuit function in mice. Nature, 488(7413), 642-646.
  2. Kristjansson, T. et al. (2014). The DMRT3 “Gait Keeper” mutation affects the performance of Icelandic horses. Animal Genetics, 45(5), 674-679.
  3. Petersen, J. L. et al. (2013). Genetic diversity and the influence of DMRT3 on gaitedness in horses. BMC Genomics, 14: 795.
  4. FEIF – International Federation of Icelandic Horse Associations. Rules & Regulations, Sport and Breeding.
  5. Horses of Iceland (2023). The Gaits of the Icelandic Horse.
  6. IHSGB – Icelandic Horse Society of Great Britain (2022). Gaits of the Icelandic Horse.
  7. Islandpferdehandbuch (2021). Ausbildungs- und Zuchtrichtlinien für Islandpferde in Mitteleuropa. Hrsg. Österreichischer Islandpferdeverband (ÖIV).
  8. FEIF Breeding Committee (2020). Judging Guidelines: Gait Purity and Evaluation. FEIF Publications.
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